Meine Werke

Links und frei – zur Linkspartei?

Links und frei ist ein persönlicher Bericht über meine gescheiterte Suche nach dem Linken in der SPD. In diesem Buch erinnere ich mich als ein westdeutscher Sozialdemokrat, der der SPD den Rücken kehrte und bei der LINKEN das zu finden hoffe, was bei der SPD im Laufe der Jahre abhanden gekommen ist. In der SPD marschierte ich in der zweiten, vielleicht dritten Reihe: ein kurzzeitiges Gastspiel im Kieler Landtag, das durch eine Berufung als Professor nach Potsdam endete. So war ich lange Jahre ein politisch interessierter Wissenschaftler. Doch als aktiver, engagierter Zeitgenosse konnte und kann ich nicht tatenlos zuschauen, was sich in Deutschland zuträgt. Das Buch ist mein politisches Leben und mein politisches Statement als promovierter Physikers: kurz, ungeschützt und durchaus leidenschaftlich.

links und frei

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Lokomotiven saufen Wasser


Der Autor schreibt schon immer, hier für Rowohlt, 1980.

Und nun geht es weiter bei Edition Winterwork.

Vertrieb über:
Verlag:  mail@edition-winterwork,
Örtlicher Buchhandel oder
Internet Buchhandel (Amazon, libri,…)
ISBN 978-3-86468-348-0
Preis: 14,90 €

Auf den folgenden Seiten werden kleine Auszüge als Leseprobe veröffentlicht:

Helmut Friedrich Mikelskis

Lokomotiven saufen Wasser

Hersfelder Geschichten aus den deutschen
Nachkriegsfünfzigern

 

Inhalt

Prolog: Biographische Selbstbekenntnisse des Autors,  zwecks Einstimmung in die damalige Zeit

7

1   Über meine überraschende Erfahrung, dass es auch schwarze Menschen gibt, oder: Die Amerikaner sind schon irgendwie anders.

15

2   Über das erstaunliche Erlebnis, dass man auch Tiere essen kann, oder: Vegetarier aller Länder vereinigt Euch!

35

3   Über Lokomotiven, die Wasser saufen, oder: Als die Züge auch noch bei Frost fuhren

53

4   Über Lehrer als prügelnde Pädagogen, oder: Ob sie wussten, was sie taten?

71

5   Über die olympische Idee im Alltag, oder: Stabhochsprung über die Wäscheleine.

91

6   Über den ersten Computer der Welt, oder: Wie ich Konrad Zuse kennenlernte.

111

7   Über großes Theater in der kleinen Stadt, oder: Weltstars auf den nassen Brettern der Stiftsruine.

127

8   Über das Leben an der innerdeutschen Grenze, oder: Der Alltag eines Grenzers

141

Epilog: Eine kleine (überflüssige) Entschuldigung

155

Prolog

Meine kritischen Erinnerungen an die fünfziger Jahre in der verträumten, kleinen nordhessischen Kur- und Festspielstadt habe ich in acht Geschichten aufgeschrieben. Sie sind durchaus authentisch, allerdings im strengen Sinne nur bedingt wahr und auf jeden Fall ohne Gewähr. Und ich bekenne ohne jedes Schuldbekenntnis: Sie sind ab und an fantasievoll ausgeschmückt.

1. Die Begegnungen mit den US-amerikanischen Besatzungssoldaten, insbesondere unseren schwarzen Freunden, haben bei mir zeitlebens Gefühle des Internationalismus und der Toleranz zu Menschen, die anders sind als man selbst, hervorgerufen. Dieses Wohlwollen konnte jedoch zu keiner Zeit verhindern, dass ich den US-Imperialismus und die damit einhergehende kapitalistische Weltbeherrschungsstrategie der USA vehement abgelehnt habe.

2. Ein konsequenter, ideologisch fixierter Vegetarier wollte ich nie sein. Aber zeitlebens hatte ich immer Skrupel, Tiere in ihrer originalen animalischen Gestalt zu verspeisen, und Genuss verspürte ich schon gar nicht dabei. Spanferkel, Schweinshaxen oder Brathendl oder Fische mit Kopf, Schwanz, Haut und Gräten erzeugten bei mir stets kulinarischen Widerwillen, gar Ekel. Filetiertes ging meist besser. Das alles hat wohl irgendwie frühkindliche Ursachen.

3. Am Bahngleis als Eisenbahnerkind geboren und aufgewachsen, bin ich für mein Leben geprägt. Wenn ich heute im ICE durch die Landschaft schwebe, falls es das Gleisbett zulässt, erinnere ich mich manchmal an die dampfenden, lärmenden Eisenkolosse von damals. Bei Nostalgiereisen der Eisenbahnfreunde erzeugt allein der Geruch von Rauch und Ruß bei mir Bilder aus der Kindheit.

4. Eigentlich habe ich die Schule weitgehend in sehr guter Erinnerung, da mir der Stoff keine Probleme bereitete und ich immer auch nette Kameraden traf. Aber es gab viel Skurriles und aus heutiger Sicht gar manch Skandalöses, was man über den Unterricht und die Lehrer erzählen sollte.

5. Seit Kindesbeinen bin ich Sportfan – aktiv, aber leider weitgehend erfolglos, in etwa zehn Sportarten und passiv als Zuschauer ohnehin fast grenzenlos. Das fing früh an und erscheint mir selbst zuweilen krankhafte Züge anzunehmen, allerdings völlig unheilbar. Und an allem ist Riemel aus Schlesien schuld!

6. Den Computer erfand in den vierziger Jahren in Berlin Konrad Zuse. Das weiß heute fast niemand mehr und die Amerikaner behaupten gar, sie hätten es allein vollbracht. Umso wichtiger, dass man erzählt, wie es wirklich geschah. Die Zuse AG, die erste Firma weltweit, die kommerzielle Universalrechner produzierte, verlegte ihren Betrieb 1957 nach Bad Hersfeld.

7. Bei der Nennung von Bad Hersfeld fallen vielen Menschen in Deutschland und darüber hinaus vor allem die alljährlichen Festspiele in der Stiftsruine ein. Sie haben sich nach über fünfzig Jahren einen festen Platz in der kulturellen Szene Deutschlands erobert. Schon als Schüler bereicherten sie meine Welt.

8. Dicht an meinem Heimatort vorbei verlief 40 Jahre lang die Grenze zwischen den zwei feindlichen Welten. Mit 14 erlebte ich, wie die Grenze komplett dichtgemacht wurde, mit 20 durfte ich sie bewachen und mit 42 erlebte ich ihre Öffnung. Heute ist Hersfeld eine Stadt mittendrin in Deutschland und die Amis sind ebenfalls weg.

Machen wir also einen kritischen Ausflug in eine vergangene Zeit, um sie nicht zu vergessen und um vielleicht einiges daraus zu lernen, aber sicher vieles besser zu verstehen – und hoffentlich einiges auch besser zu machen!

Dabei ist die Geschichte von Bad Hersfeld sicher exemplarisch für viele bundesdeutsche Kleinstädte in der Nachkriegszeit und deren Geschichten wären sicher ähnlich.

 

Leseprobe

1.

Eine meiner frühesten Kindheitserinnerungen an Erlebnisse von der Fensterbank unserer Wohnung im Obergeschoss ist der Fakt, dass es den Sarotti-Mohr und den kohlrabenschwarzen Mohr aus dem Struwwelpeter entgegen aller Beteuerungen meiner Mutter wohl wirklich im realen Leben gegeben hat.

Zwar hatte ich bisher bei unseren Verwandten und Bekannten nur Bleichgesichter kennengelernt, deshalb vertraute ich zunächst fälschlicherweise der empirischen Evidenz – was sich für meine spätere, damals noch nicht abzusehende Karriere als Physiker durchaus als Vorteil erwies –, dass Menschen bei uns grundsätzlich hell aussehen müssten.

Dann trat das vollkommen unvorhersehbare wundersame Ereignis eines Tages aber doch ein. Ein offenes Auto mit einer mir unbekannten schmuddeligen Farbe, wohl oliv genannt, und mit einer überaus langen Antenne, wohl zum Kontakt zum fernen Amerika, kam um die Ecke. Im legendären Willys Jeep saßen drei Soldaten der US-Army, alle drei dunkelbraun wie bei Sarotti oder bei Hoffmann, allerdings in unterschiedlichen Farbsättigungen – wie schwarzer Kaffee mit mehr oder weniger Milch.

„Jeep“, oder „Schieb“, wie ich zu sagen mir angewöhnt hatte, gehörte schon zu meinem aktiven Wortschatz als Fünfjähriger. Obwohl sie doch überhaupt nur auftauchten, weil sie unsere Feinde waren und wir verloren hatten, lächelten sie nach oben und winkten aufdringlich freundlich. Ob sie sich über ihren Sieg oder die Begegnung mit mir freuten, blieb mir damals völlig unklar. Dabei blitzten ihre weißen Zähne, was mich seinerzeit nachhaltig beeindruckte.

Für mich sahen sie auf jeden Fall aus wie Freunde, obwohl meine Mutter sie offensichtlich immer noch als Feinde betrachtete, die nur aus Versehen hier auftauchten, und weil der Adolf, wie sie ihn immer vertraulich nannte, einfach nur vom Pech verfolgt war.

Jahrzehnte später hatte ich einen Doktoranden aus Mosambik, der heute Professor in Maputo ist. Wann immer er mich anlachte, musste ich erfreut an meine ersten Kindheitsbegegnungen mit dem „schwarzen Mann“ zurückdenken.

So fasste ich in meinem kindlichen Forscherdrang und in gespannter Erwartung den festen Entschluss, bei nächster Gelegenheit an der Straße vor dem Haus einem Jeep aufzulauern. Meine Mutter hatte das Ende ihres Jugendidols seit BDM-Zeiten im Berliner Bunker noch immer nicht überwunden und sie warnte mich nachdrücklich vor jeglicher Feindberührung. Ihren Frieden mit schwarzen Menschen konnte sie wohl erst in den sechziger Jahren mit dem Schlagersänger Roberto Blanco, dem Kubaner aus Tunis, machen.

3.

Eines Tages ergab sich für mich unerwartet die Gelegenheit, den Wasserturm zum ersten Mal zu betreten, da die Tür unverschlossen war und mein Vater durch das Kohlenschaufeln abgelenkt schien. Da stand ich nun endlich in der verbotenen Halle im Erdgeschoss meines Turmes. Es war unerträglich heiß und staubig und dennoch fühlte ich mich wie in einer Art Kathedrale in diesem runden Eingangsraum mit etwa zehn Metern Durchmesser. Enge eiserne Treppen führten nach oben.

Als mein Vater seine Arbeit getan hatte, bettelte ich um eine Turmbesichtigung. Er hatte an diesem Tag gute Laune und willigte, wenn auch zögernd, ein. Dann schloss er die Eingangstür von innen ab und wir kletterten vorsichtig Etage um Etage vier Treppen nach oben. Durch kleine Fenster konnte ich mit Blick nach draußen feststellen, dass wir wohl schon eine Höhe von fast zwanzig Metern erreicht hatten.

Dann standen wir endlich auf der letzten Plattform direkt unter dem 300.000 Liter fassenden Wasserbehälter. Mein Vater wollte umkehren, weil angeblich der Rest des Aufstiegs zu gefährlich sei. Aber meine Neugier und mein unstillbarer Forscherdrang waren unerbittlich. Zwischen der Außenmauer des Wasserturms und der Stahlwand des Wassertanks war ein sehr enger Zwischenraum. Dort befand sich eine eiserne senkrechte Leiter, die eigentlich nur für Wartungsaufgaben genutzt werden sollte. Aber meinen Vater ergriff nun gegen das Versprechen, meiner ängstlichen Mutter kein Wort davon zu erzählen, der Ehrgeiz, mich ganz nach oben zu führen.

So erreichten wir schließlich den oberen Beckenrand. Der Blick in den riesigen Wasserbehälter war beeindruckend. 300 Tonnen Wasser in 20 Metern Höhe zu lagern, erforderte gewiss eine stabile Turmkonstruktion. Das Wasser erschien trüb, da es über eine Pumpstation der nahen Fulda entnommen worden war.

Der Blick in den Monstertrog in schwindelnder Höhe beeindruckte mich enorm, wie auch der anschließende lang andauernde vorsichtige Turmabstieg durch Staub und Spinnweben. Stolz machte mich ebenso die Tatsache, dass mein Vater mich, den Zehnjährigen, trotz aller Vorschriften und eindringlicher Mahnungen meiner Mutter auf diese einmalige Abenteuertour mitgenommen hatte.

5.

Nun suchte der tollkühne Schlesier im Schuppen nach einem geeigneten Sprungstab. Damals sprang man noch mit Bambusstäben, über die wir natürlich nicht verfügten. Schließlich entschied er sich für eine über zwei Meter lange Holzlatte, wohl eine Art Bohnenstange, über die er jedoch bedenklich die Stirn runzelte. Nun musste noch ein Einstichloch gegraben werden, um dem „Stab“ beim Absprung Halt zu geben.

Inzwischen hatten sich neugierige Hausbewohner und Nachbarn eingefunden, die gespannt auf das außergewöhnliche Ereignis warteten. Nur Frau Riemel hatte, wenn auch letztlich vergeblich, versucht, ihren Mann von dem waghalsigen Sprung abzuhalten.

Riemel hatte bereits unnötige Kleidungsstücke abgelegt und stand quasi in Unterwäsche mit dem Sprungstab im Hof. Da es keinen Schönheitswettbewerb zu gewinnen gab, sah das Publikum über das zottelige Outfit hinweg. In den Nachkriegsjahren war das ohnehin nicht das Hauptthema der Menschen.

Riemel sammelte sich nun gleichsam andächtig. Dabei atmete er hörbar rhythmisch. Das dauerte für unsere Verhältnisse unendlich lange. Ob er im Selbstzweifel wohl überlegte, es doch zu lassen? Seiner Frau hätte er damit vermutlich einen sehr großen Gefallen getan. Dann stampfte er aber doch urplötzlich los, stach energisch ein und schraubte sich in eine beachtliche Höhe. Er lag nun fast waagerecht über der Leine und schien dort endlos lange zu verharren.

Die Zuschauer hielten den Atem an in der Hoffnung, es ginge nicht nur hoch, sondern ebenso auch nach vorne. Dann trat das völlig Unerwartete und Befürchtete ein: Riemel fiel wie ein Sack Richtung Erdmittelpunkt. Leider war dabei die Leine im Wege, auf der er schließlich wie ein nasses, schweres Wäschestück landete. Und das hatte unvermeidbare Folgen. Beide Wäschepfosten neigten sich in Zeitlupe nach innen und Riemel landete unsanft auf dem Rasen. Die Zuschauer kreischten entsetzt auf und bemühten sich sofort um den Gestürzten. Zum Glück war er unverletzt geblieben. Es gab tosenden Beifall der Nachbarn. Riemels Frau schien sichtlich erleichtert, hatte jedoch Angst, ihr Mann würde einen zweiten Versuch wagen. Aber der Eisenbahner zeigte Einsicht und verzichtete auf einen weiteren Versuch. Dabei faselte er entschuldigend noch etwas von schlechtem Material

6.

Um das Jahr 1960 lud mich mein Klassenkamerad zum Nachmittagskaffee nach Hünfeld in den Hasselgrund in Zuses Haus ein, um dort seinen Onkel zu treffen. Er meinte, ich als Klassenbester in Mathe sollte den berühmten Computererfinder einmal persönlich kennenlernen, der gerade den Neubau seiner großen Computerfabrik in Hersfeld plane. Vielleicht könne ich ja später mal einen Job in dessen Firma bekommen. Ich studierte nach dem Abitur tatsächlich Physik, um beispielsweise bei Siemens als Physiker zu arbeiten. Aber manchmal sind eben die Lebenswege überraschend und unergründlich, es kommt ganz anders, als man es geplant hat, und man wird dann Universitätsprofessor für Didaktik der Physik.

Konrad Zuse war mit seinen fünfzig Jahren eine durchaus ehrwürdige Erscheinung mit schwarzem, scheitellos nach hinten gekämmtem, leicht gewelltem Haar. In seinem grauen Anzug mit Krawatte und mit seiner markanten dunkler Hornbrille wirkte er auf mich, im Gegensatz zu meinen Lehrern, wie ein bedeutender seriöser Wissenschaftler. Zunächst fragte er mich, wie es in der Schule so gehe und was ich später mal werden wolle, und freute sich über meinen Spaß an der Mathematik. Erst fühlte ich mich durchaus gehemmt und kaum im Stande, sinnvolle Fragen zu stellen. Über Computer hatten wir bis zum Zeitpunkt unseres Gesprächs noch nichts in der Schule durchgenommen.

Insofern bat ich den großen Konrad Zuse, mir, dem kleinen wissbegierigen Tertianer, doch etwas zum Stand der Computerentwicklung zu erzählen, worüber ich im Unterricht eventuell ein Referat halten könne. Zuse betonte zunächst, dass er ohne die intensive Unterstützung seiner Familie niemals so weit gekommen wäre. Eltern und Schwester hätten alles getan, damit er seinen fixen Ideen nachgehen konnte. Man habe das elterliche Wohnzimmer bis auf den Esstisch für seine Arbeiten ausgeräumt. Das Sparbuch der Eltern war dem jungen Erfinder zur Verfügung gestellt worden und der Vater, eigentlich schon Rentner, hatte wieder angefangen zu arbeiten. Zuse betonte, dass er von Anfang an beabsichtigt habe, das beste Rechengerät aller Zeiten zu erfinden.

Für mich klang das sehr selbstbewusst und ehrgeizig, aber durchaus auch etwas arrogant, wenngleich sein Erfolg ihm später recht gab. Er betonte, damals viele Ideen im Kopf gehabt zu haben, auch erste Skizzen vom Speicher- und vom Rechenwerk. Er habe immer das Ziel gehabt, den Stumpfsinn des Rechenschiebers und des mechanischen Rechnens abzuschaffen. Da sprach er uns Schülern aus dem Herzen.

7.

Die Hersfelder Festspiele waren mit der zehnjährigen Intendanz von Ulrich Erfurth ab 1966 in dieser Theaterwelt angekommen. In den wilden Jahren 1968 bis 1972 war Erfurth gleichzeitig Generalintendant der Städtischen Bühnen Frankfurt und betrachtete die verträumte Hersfelder Provinz wohl als eine Art Fluchtrefugium vor den gesellschaftskritischen öffentlichen Debatten.

Als Bühnenregisseur legte Erfurth vor allem großen Wert auf Werktreue und lehnte Experimente jeder Art entschieden ab. Auch seine politische Ausrichtung war wohl eher konservativ. Er hatte seine Karriere mit 25 Jahren im Jahr 1935 am Staatstheater Berlin, wo ihm Gustaf Gründgens eine Aufgabe zunächst als Hilfsspielleiter angeboten hatte, begonnen und in seinem Leben viele Stationen durchlaufen.

Als freier Mitarbeiter der Hersfelder Ausgabe der Fuldaer Volkszeitung, wo ich viele Jahre mit einem journalistischen Beruf liebäugelte, publizierte ich seinerzeit meine Meinung als Kommentar unter dem Titel „Die Ruine – Erfurths heile Welt“.

Unter Bezug auf die Begrüßungsrede des neuen Intendanten, in der er sich befriedigt über die in der Stiftsruine noch erhaltene „heile Welt“, die frei war von störenden Mitbestimmungsforderungen, äußerte, zog ich mächtig vom Leder:

„Wie kann man eine heile Welt beschwören angesichts des Völkermordes in Indochina und des Hungers in Indien, angesichts der totalen Ausbeutung in Südamerika und des Konsumterrors in den hochindustrialisierten spätkapitalistischen Staaten? […] Zeitnahes und an den Problemen unserer Welt orientiertes Theater gehört in die Ruine!“

Das musste einmal gesagt werden, obwohl es das Hersfelder Bildungsbürgertum sicher entsetzte. Und ich stehe heute noch dazu und bin froh, dass mir die „Altersweisheit“ noch nicht den Verstand vernebelt hat.

 

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